„Schallplatten klingen besser…“ – Wieso?

Musik-Infos funkygog

Neulich auf dem Flohmarkt hat mir ein Verkäufer erzählt, das Schallplatten doch einen viel wärmeren Klang hätten. Ich weiß nicht wie oft ich das schon gehört habe. Jedes Mal frage ich mich wieso die Leute der Meinung sind.

Fakt ist, dass eine Schallplatte einen kleineren Frequenzbereich abdeckt, weniger Dynamik hat und anfällig für Kratzer & Rauschen ist.
Ein überaus interessanter Bericht hierzu: Realistische Betrachtung

Meine Theorie:
Als man noch die guten Vinyl-Scheiben hörte hat man die Musik viel intensiver gehört!


Die Entwicklung vom Vinyl über die CD zur mp3-Datei:

Die Vinyl-Epoche

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Tonträger-Gestaltung:
Das Cover und das Inlay bieten viel Platz zur Präsentation und es gab zahlreiche aufwendig gestaltete LPs. Auch Sonderformen: Picture Disc, Poster-Beilage u. a.

Abspielen:
Bei Schallplatten ist ein direkter Zugriff möglich (Geschwindigkeit, Scratchen u.a.).
Die Laufzeit Beschränkung einer LP-Seite (ca. 30min) macht es notwendig die LP umzudrehen.

Klang:
Für einen guten Klang bedarf es einer guten HiFi-Anlage. Platten neigen zum Rauschen. Kratzer können leicht den Hörgenuss trüben.

Aufbewahrung:
Dadurch das Vinyl leicht Kratzer bekommt, werden die edlen Stücke sehr vorsichtig verstaut. Es gibt für die Pflege diverses Zubehör (Karbonfaserbürsten, Plattenwaschanlagen…)

Möblierung:
Zu Zeiten der Plattenspieler wurde oftmals eigens eine HiFi-Ecke in der Wohnung eingerichtet. Die recht sperrige Anlage fand dort ihren Platz und die LPs waren in einem Regal einsortiert. Zur Einrichtung gab es extra HiFi-Möbel.

Die CD-Revolution

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Tonträger-Gestaltung:
Gestaltung der Cover ähnlich wie bei LPs nur auf einer viel kleineren Fläche. Die Material Anmutung der Hülle und der CD ist technischer und kälter.

Abspielen:
Bequemes springen zum nächsten Titel und schneller Vor- und Rücklauf. „Manipulationsmöglichkeiten“ gibt es nicht. (Geschwindigkeit, Scratchen u.a.)

Klang:
Sehr guter Klang. Kein Rauschen und Knistern.

Aufbewahrung:
Der Platzbedarf ist viel geringer. (ca. 15%). Die CD-Hülle bietet einen ausreichenden Schutz. CDs lassen sich leicht übereinander stapeln.

Möblierung:
CD-Player sind leicht in die HiFi-Anlage integrierbar. Zudem sind die Anlagen kompakter geworden. Mobile CD-Player sind auf den Markt gekommen. Die HiFi-Ecke in der Wohnung verschwindet, dafür hat manch einer einen Wecker mit CD-Spieler.

Das Zeitalter der mp3-Dateien

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Tonträger-Gestaltung:
Fehlanzeige! Es handelt sich hierbei nur noch um eine Datei. Wer sorgsam ist hat einen ID3-Tag eingefügt der zumindest den Titel und Interpreten beim hören verrät.

Abspielen:
Absolute Kontrollmöglichkeiten. Alles eine Frage der Software.

Klang:
Je nach Kompressionsgrad. Ab 128KB spricht man von CD-Qualität.

Aufbewahrung:
Hier bedarf es lediglich eines Speichermediums (Festplatten, USB-Stick, iPod)

Möblierung:
Um mp3-Dateien hören zu können benötigt man ein Gerät welches den Code umwandeln kann, dieses wird dann an die HiFi-Anlage angeschlossen. Somit ist eigentlich nur ein Kabel erforderlich.
Da viele zum hören einen iPod einsetzen besteht die HiFi-Anlage aus einer Erweiterung für dieses Gerät.

kleines Fazit:

Damals hat die Musik einen anderen Stellenwert gehabt! LPs wurden behutsam gesammelt und intensiv in der HiFi-Ecke gehört. Die „Unzugänglichkeiten“ (Pflege, Umdrehen der Platte) haben eine Aufmerksamkeit des Hörers erfordert.

Mit dem Erscheinen der CD verschwanden diese Nachteile. Der pure Klang war da. Aber es sank zugleich die Aufmerksamkeit. CDs wurden zunehmend im Hintergrund gehört. Eine der schlimmsten Erfindungen trat auf den Markt: Der CD-Wechsler. Die gemütlichen HiFi-Ecken verschwanden. CDs konnte man auch im Bad abspielen.
Nebenbei: Ich denke das die massive Verteilung von AOL-CDs damals auch den Wert von dem Medium in Frage gestellt hat.

Und dann kam mp3! Ich war/bin begeistert. Aber so genial das Dateiformat auch ist, es hat die Hörgewohnheiten massiv geändert.
Die Musik wurde noch mehr zur Hintergrundbeschallung. Dadurch das man nichts mehr greifbar in der Hand hat, wurde die Wertschätzung herabgesetzt. Das ursprüngliche Album-Konzept hat leider an Bedeutung verloren. Man stellt sich seine mp3s zusammen – ein Best of. Leute die früher 20 Platten gehabt hätten, haben jetzt plötzlich mehrere Gigabyte an Musik.

FAZIT:

Zurück zur ursprüngliche Frage:
Warum schwärmen die Leute für den Klang der LPs?

Antwort:
Sie haben die Musik mehr genossen!
Egal ob der Klang schlechter war. Sie waren Teil der Musik.
Sie haben es geliebt sich zurückzuziehen in die HiFi-Ecke und auszuspannen.

Und mir geht es genauso.
Mir gibt das Plattenauflegen auch mehr als das Dateien abspielen.
Ich greife auch lieber ins Plattenregal als mir am Computer eine Playlist zusammenzustellen.


  1. Robert

    Auch ich bin allen Phasen der digitalen Revolution zum Opfer gefallen. Schallplatten, Kassetten, CD, DVD, MP3 – Ich habe sie alle gehabt :)

    Ich glaube es ist nur eine Frage der Sichtweise. Sicherlich habe ich meine Platten geliebt und sie sorgsam behandelt. Nur wenige Platten fanden meines kleinen Geldbeutels wegen den Weg in mein Plattenregal. Habe ich die Musik mehr genossen? Ich habe intensiver gehört, weil ich keine andere Möglichkeit hatte, aber auch damals habe ich mir schon Mixkassette zusammengestellt.
    Heute ist das anders und auch wieder gleich. Ich kann auch heute noch Musik intensiv hören, wenn ich ein gutes Album dazu habe. Es gibt Playlisten, da lösche ich das Licht und lasse die Musik „so richtig in mich reinkriechen“.

    Auf der anderen Seite Liebe ich es aber auch durch die Musiksammlung zu springen wie eine Springmaus auf LSD. Da werden Genre, Künstler und Stimmungen getauscht, gesungen getanzt und geschwelgt. In der Vergangenheit und in der Gegenwart.

    Mir gibt das Musikhören etwas. Es spielt dabei für mich keine Rolle von welchem Medium. Man muss sich nur drauf einlassen und das ist nun definitiv schwerer geworden.

  2. verschnaufpause

    Ist auch einfach eine Frage der Zeit geworden. Ich habe bald 20.000 gesehene Videos bei YouTube.. und an mein CD-Regal geh ich etwa einmal im Monat.

  3. funkygog

    @Verschnaufpause:
    Wenn man sich so viele Videos anschaut bleibt wohl wirklich keine Zeit mehr…
    Vielleicht ist die Blogparade von der Hasenfarm etwas für Dich.

    @Robert

    Es spielt dabei für mich keine Rolle von welchem Medium. Man muss sich nur drauf einlassen

    Genau! Ich nutze auch alle Formate. Alle Medien haben ihre Vor- und Nachteile. Der Mix macht es. Aber viele sind nicht so „offen“. Wenn man sich mit HiFi Fans unterhält bedarf es einer neuen Ringparabel.

  4. Olaf

    Ich danke Ihnen für den interessanten Artikel. Ich finde, dass Schallplatten einfach einen gewissen Scharm haben, der dazu beiträgt, dass manche Menschen einfach sagen, die Platten würden besser klingen.

  5. Chris Zwarg

    Natürlich sind Vinylplatten messtechnisch schlechter als CDs, und Schellackplatten messtechnisch schlechter als Vinyl. Demzufolge sollte es für eine CD ein Klacks sein, den Klangeindruck einer Vinylplatte (und erst recht den einer Schellackplatte) in jeder Hinsicht reproduzieren und sogar übertreffen zu können.

    Dass dies in den allermeisten Fällen nicht so ist, liegt nicht an dem Medium selbst, ist aber eine plausible Erklärung dafür, dass ein bestimmter Hörerkreis die bessere messtechnische Qualität nicht spontan als „besseren Klang“ empfindet.

    Was hat sich sonst verändert? Nun ja, jede Schellackplatte (bis Ende der 1940er Jahre) enthält quasi eine Live-Darbietung – einen einzigen Take, der im Studio genauso wie man ihn auf der Platte hört, von den Künstlern gespielt und i.d.R. mit einem einzigen Mikrofon aufgenommen wurde. Daraus entsteht ein unmittelbares „Musiziererlebnis“, bei dem gelegentliche schiefe Töne und schlechte Akustik kaum stören – ganz gleich ob man Robert Johnson oder Enrico Caruso lauscht. Die bevorzugte Studioakustik war sehr „trocken“, jeder Raumhall wurde peinlichst vermieden (da er bei der Grammophonwiedergabe als verwaschenes Dröhnen rüberkommt), und mangels technischer Möglichkeiten wurden weder Dynamik noch Klangbalance irgendwie technisch verändert, sondern allein durch geschickte Positionierung der Musiker im Studio. Auch das trägt dazu bei, dass so manche „antike“ Platte etwas leistet, was kaum eine Neuaufnahme auf CD bringt, nämlich die Illusion, dass der Künstler im Abhörraum vor einem steht.

    Später, mit Tonband- und Stereotechnik, kamen andere Ideale zum Zuge – die Firmen warben damit, „den Konzertsaal ins Wohnzimmer zu bringen“, indem in totaler Umkehr des alten Prinzips sehr bewußt und deutlich Rauminformationen (Ambience) auf die Vinylplatte gebracht wurden. Dadurch rückten die früher manchmal geradezu brutal direkt ins Gesicht der Hörers „brüllenden“ Solisten oft in eine diffuse Ferne. Gleichzeitig verführte die Bandaufnahme mit ihren Schnittmöglichkeiten, wie auch die Mehrspurtechnik, zu einem Perfektionismus fernab jeder musikantischen Realität – allerdings zumeist noch im Zaum gehalten durch die recht engen Grenzen der Analogtechnik. Und die Hochzüchtung der Langspielplatte auf immer weniger Rauschen und immer längere Spieldauer, ermöglicht durch den Unfug der Dynamikkompression (Unfug deshalb, da die Schellackplatte mit ca. 20dB höherem Rauschpegel als Vinyl das nicht nötig hatte!), nagte weiter an der Unmittelbarkeit des Klangs.

    Gleichzeitig begann mit dem Um-Sich-Greifen der elektrischen Verstärkung und Verfremdung von Stimme und Instrumenten auch in Live-Situationen ein Niedergang vor allem der Vokaltechnik ebenso wie der Hörgewohnheiten des Publikums. Plötzlich war jeder durch die Platte bekannte Künstler dazu verurteilt, live genauso überlebensgroß und grotesk zu klingen wie auf dem im Studio zurechtgefrickelten Tonträger. Zuerst die Pop- und Schlagersänger (unter denen heute kaum noch jemand ist, der ohne Mikrofon nur mit stimmlichem Können auch nur einen mittelgroßen Saal unterhalten könnte), später die Musicaltheater, inzwischen lässt sich sogar so mancher Opernsänger mikrofonisch unterstützen….

    Für heutige digitale Produktionen gilt wiederum diese bereits relativ dekadente und zu Tode verfeinerte Produktionstechnik der 1970er Jahre als „rustikal“ und „Old School“ gegenüber den nochmal weitaus schlimmeren Vergewaltigungen, die man der Musik heute angedeihen lassen kann – Stichwort Autotune, Multibandkompressor, digital errechnete Ambience…..

    Ergebnis ist ein oberflächlich betrachtet „perfektes“ Produkt, das allerdings kaum noch Ähnlichkeit hat mit dem, was es behauptet wiederzugeben – nämlich den Gesang und das Instrumentalspiel von Menschen: MUSIK eben! Und ganze Genres von „Musik“ im sehr weiten Sinne sind entstanden, die tatsächlich zum überwiegenden Teil aus _nicht_ durch Stimmen und Musikinstrumente erzeugten organisierten Geräuschen bestehen.

    Sic transit gloria mundi!! Aber wundern muss es niemanden, dass es noch immer Menschen gibt, die nicht grobschlächtig genug sind, sich an diesem Industriefraß zu ergötzen. Ja, wenn CDs so produziert würden, dass sie ganz schlicht eine Musikdarbietung so übermitteln, wie sie klingen würde wenn der Musiker ohne Verstärker und Klangverfälscher persönlich in meinem Wohnzimmer spielen würde…..




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